Alain Berset in Aegerten: Gelungener Spagat zwischen Witz und Würde

Am Vorabend des Nationalfeiertages konnte Aegerten den Bundespräsidenten Alain Berset als Festredner begrüssen.

Markus Dähler

Als am Montagabend die Amtslimousine beim Fahrverbot am Aegerter Moosweg stoppte, brachten sich die Fotografen in Stellung. Mit einem Schmunzeln entstieg Bundespräsident Alain Berset dem Fond und setzte seinen Hut samt väterlichem Lächeln auf.

Nach erholsamen Ferientagen mit entsprechenden Bildern in den Social Media war eine Frage schnell geklärt: Der Ehrengast war wieder magistral gestylt. Zusammen mit dem Dorfvolk und zahlreichen Gästen aus benachbarten Gemeinden, aber ohne Politprominenz im Schlepptau erreichte er zu Fuss und in Begleitung von Weibelin Julie Bachmann und Medienstaff den Festort auf dem Fussballplatz.

Nach gefühlten 1000 Selfies zwischen den Warteschlangen vor dem Grill konnte Gemeindepräsidentin Christine Rawyler endlich den Magistraten begrüssen. Sie hatte sich mit einer originellen Rede gründlich wie immer vorbereitet. «Ich war schon ein bisschen nervös», gestand sie im Freundeskreis ein. Mit ihrem rhetorisch gelungenen Mix von Mundart und Standardsprache konnte sie mit dem hohen Niveau am Rednerpult mithalten.

So war die Rede des Bundespräsidenten

Dann war der Magistrat an der Reihe mit seiner 22. Bundesfeier-Rede in elf Amtsjahren. Er hatte sich eine würdige und zugleich fröhliche Botschaft vorgenommen. «Es ist wunderbar, Bundesrat zu sein, es gibt keinen schöneren Beruf!» Mit einem Schmunzeln auf den Lippen und ihm eigener Gestik schob er nach, dass er weder die Pressekonferenz zur Prämienentwicklung noch die Frühstückssitzungen mit den Parteien um sieben Uhr morgens während der Session im nächsten Jahr vermissen werde.

«Im Ernst: Ich halte gerne 1.-August-Reden. Weil ich die Schweiz mag. Weil ich überzeugt bin von ihren Stärken.» Er erinnerte an den 175. Geburtstag der Bundesverfassung, an deren Entstehung im Umfeld von Bürgerkrieg nach dem Kulturkampf. «Kompromiss, Ausgewogenheit, Verhältnismässigkeit: Die oft verlachten Schweizer Tugenden sind nicht einfach der Weg des geringsten Widerstandes – vielmehr schaffen diese oft Lösungen, mit denen alle gut leben können.» Mit seiner Botschaft erreichte er die Herzen des mehrheitlich einheimischen Publikums. Aber zu den Höhepunkten des Abends gehörten die spontanen Bonmots. So musste er schmunzeln über die Zürcher Medien, welche Aegerten hinter die Sprachgrenze als einen von drei Festorten in der Romandie verschoben hatten. Auch mokierte er sich über den medialen Hype und die hundert Anrufe betreffend Zukunft seines Ferienbartes.

Pointen im Minutentakt

Dass mit Stefan Krattiger der Altgemeindepräsident von Aegerten im Berset-Medienstaff mitarbeitet, war auch in der Rede zu hören. «Wir könnten uns den vermuteten Schatz unter dem ‹Goudhubu› doch teilen, die eine Hälfte für die Gemeindekasse und die andere für die Sicherung der AHV-Finanzierung.»

Ernsthaft wieder rief er mit Blick auf die Gemeindewahlen im Herbst die Festbesucherinnen und -besucher auf, nicht die Faust im Sack zu machen, sondern sich in den Behörden zu engagieren. Dass er sich mit Schalk in den Augen kaum entscheiden konnte, ob er als Gesundheitsminister nun mit einem alkoholfreien oder als Kulturminister mit einem Seeländer Bier anstossen sollte, war nur eine von vielen witzigen, teils ironischen, aber allenthalben unterhaltsamen Pointen im Minutentakt. So gelang der Spagat zwischen präsidialer Würde und Volksnähe ausgezeichnet. Der verdiente Applaus war ihm mit Standing Ovation sicher.

Mehr als doppelt so viele Besucher

Bundespräsident Berset hatte sich eine kleine, beschauliche Feier gewünscht, ohne roten Teppich, Ehrendamen oder Tischtuch auf der Festbank. Entsprechend freute er sich sichtlich am rustikalen Geschenkkorb mit einheimischen Köstlichkeiten samt Taschenrasierer für künftige Ferientage. Gemeindepräsidentin Christine Rawyler bedankte sich aber auch für die Ehre, welche der bundespräsidiale Besuch auf dem Aegerter Fussballplatz für die Gemeinde und insbesondere den 9er-Club als langjährige und kundige Organisatoren bedeute.

Dann wurden 650 Bratwürste vom Grill serviert. Es waren mehr als doppelt so viele wie üblicherweise am 1. August. Auch hier gab es für den ebenso prominenten wie volksnahen Gast keine Extrawurst. Und doch war Bersets Präsenz für viele ein einmaliges Ereignis.

Die Studener «Jazzeral-Band» stimmte in sechsköpfiger Besetzung die Nationalhymne an. Die Formation hatte in Aegerten ein Heimspiel und hoffte insgeheim auf ein musikalisches Gastspiel des Bundespräsidenten. Der Wunsch blieb unerfüllt, die Wertschätzung des kundigen Jazz-pianisten aber war der Formation gewiss.